Hausbesuch 01

Hausbesuch bei Beate Katschnig

Gemeinsam mit dem Künstler Daniel Wetzelberger haben wir (zweintopf= Eva Pichler + Gerhard Pichler) die Leihnehmerin Beate Katschnig in ihrer Praxis für Psychotherapie/Psychologie/Supervision (https://psypraxisgraz.info/) in Graz besucht.

Seit 2017 nutzt Beate Katschnig die Initiative Kunstverleih und hat seither Werke von Heribert Friedl, Michael Gumhold, Veronika Hauer, studio ASYNCHROME, Daniel Wetzelberger und zweintopf ausgeliehen.

Bei unseren Hausbesuchen wollen wir in einem lockeren Gespräch mehr über die Beziehung der Leihnehmer:innen zu Kunst im Allgemeinen bzw. zu den persönlichen Erfahrungen mit dem Kunstverleih erfragen.

Beate Katschnig in ihrer Praxis. umrundet von Kunstwerken
Links: Vasil Tsenev
Mitte oben/unten: Daniel Wetzelberger
Rechts über dem Regal: HAP Grieshaber

Gerhard
Was uns immer besonders interessiert, ist wann und wie jemand innerhalb der persönlichen Biografie zur Kunst gefunden hat… Ich selbst habe erst mit 20 Jahren, als ich nach Graz gekommen bin, meine erste Ausstellung gesehen. Und das hat dann (im Nachhinein gesehen) doch einiges verändert. Wie war das bei dir, Beate?

Beate
Schon als Kind las ich sehr viel und war speziell in den Sommerferien häufig in der Bibliothek, um mir einen Stapel Bücher mitzunehmen, Lektüre, Literatur. Bei Schulveranstaltungen wurde ich häufig ausgewählt, um Gedichte vorzutragen, sang im Chor. In Jugendjahren und als junge Erwachsene habe ich mich für U-Musik, Film, Mode, später dann für Design und Architektur interessiert.
Als Studentin habe ich während eines Aufenthalts in London Kunstwerke beim Besuch von Museen, speziell der Tate Gallery, erstmalig ganz bewusst wahrgenommen. Ich war fasziniert und beeindruckt und habe dann immer wieder Kunst-Bildbände gekauft und gelesen, Filme angeschaut, um mehr über Kunst zu erfahren. Hin und wieder war ich bei Ausstellungen, im Theater und in den 80ern war ich auch mal im WUK bei einer Performance aktiv involviert. Damals war ich auch Frisuren-Modell bei größeren Shows und wurde als „Mädchen des Monats“ aufgrund meines persönlichen Stils von der Redaktion eines Lifestyle-Magazins  ausgewählt (Anm.: nicole/Gruner und Jahr 1987).

Damals hab ich mich auch schon für Fotografie interessiert. Zum Beispiel für Inge Morath, Anton Corbijn,  Ansel Adams, Herb Ritts.

In den Nullerjahren war ich dann mit einem Mann zusammen, der ambitionierter Hobbyfotograf war und immer wenn er auf Motivsuche war, hat es so lange gedauert, bis er mit dem Fotografieren fertig war. Irgendwann habe ich mir auch eine Kamera gekauft, habe fotografiert, um das Warten zu verkürzen.

Gerhard
Das heißt du hast einen Wechsel vollzogen. Vom Rezipieren hin zu eigener Kunstproduktion?

Beate
Was für mich immer schon wichtig war, ist das kommunikative Element in der Kunst. Mein Freund war damals schon Teil einer Internetplattform, die fotolog geheißen hat (Anm.: fotolog.com wurde als photoblog 2002 gegründet und ist seit 2016 inaktiv), was für mich eine Megasensation war, noch lange vor Instagram oder Facebook, mit Menschen erstmals über Fotos weltweit in Kontakt zu treten und gleichzeitig Resonanz auf die die eigenen Motive zu bekommen. So beschloss ich spontan auch einen Account zu eröffnen, das hat ganz viel Spaß gemacht und ich bin mit vielen interessanten Menschen aus allen Teilen der Welt in Kontakt gekommen. Ich wurde zu Gruppenaktivitäten z.B. cidade eingeladen und wurde letztlich auch gefragt ob ich ein paar Fotobeiträge für ein Buch beisteuern möchte. So kam es zu ersten richtigen Veröffentlichungen meiner Fotos (Anm.: fotolog.book: Thames and Hudson, 2006). Da fällt mit ein, dass ich 2005 auch einen Winterfotowettbewerb der Kleinen Zeitung gewonnen habe. Das war großartig, 3 Tage Skifahren am Mölltaler Gletscher, ich habe mich sehr darüber gefreut.

Dann habe ich das Fotografieren aus Zeitgründen sein lassen, Familie mit Kindern, Arbeit und die zeitaufwendigen Ausbildungen als Psychologin und Psychotherapeutin.

Jahrelang ging das so und sonst nichts und ich dachte irgendwann, das kann es nicht gewesen sein.

Gerhard
Dir hat also ohne Kunst etwas gefehlt?

Beate
Ja! Ich weiß noch im Jahr 2015 habe ich mich wieder mehr mit Kunst beschäftigt, war bei kulturellen Veranstaltungen, Lesungen und Vernissagen und aus einer spontanen Idee heraus hat es sich völlig unkompliziert ergeben, dass ich Clemens Setz gegenüberstand und ihn ganz spontan gefragt habe, ob er mir etwas in meinen Jahreskalender schreiben möchte. Er fragte, ob er auch etwas zeichnen dürfte und so kam es, dass er mir eine total coole Zeichnung mit einem Manderl, das unter einem Penrose-Dreieck am Rand des Blattes hervorlugt, reingezeichnet hat. Wie genial, ich war und bin noch immer voll happy darüber. Und weil mir in diesem Jahr auch noch andere Künstler bei Ausstellungseröffnungen begegnet sind, zieren den Kalender in diesem Jahr wundervolle Zeichnungen von Peter Kogler (natürlich ein Gehirn), Erwin Wurm (E wie Erwin_herzlich) und Olafur Eliasson (Little Sun/Island), dessen Eröffnung mit illustrer Gesprächsrunde im Belvedere und die Ausstellung im Winterpalais Prinz Eugen extrem beeindruckend waren.
Ab damals habe ich mich noch intensiver mit Kunst und Künstler:innen/Biografien beschäftigt und wenn es sich ergeben hat, hat es mich immer gefreut, bei Vernissagen diese persönlich kennenzulernen und deren Zugang unmittelbar zu erfahren.

Gerhard
Das heißt, für dich ist der Künstler, die Künstlerin nicht zu trennen vom Werk?

Beate
Ja, auf alle Fälle. Deswegen danke ich euch (Anm. der Initiative Kunstverleih), dass ihr immer auch diese Treffen anbietet. Die Werke kommen ja nicht von irgendwoher, sondern sie wurden von jemanden gemacht. Und da interessieren mich auch die Biografien.

Gerhard
Ist es dir dann auch schon passiert, dass dir ein Werk, nachdem du die Künstler:innen kennengelernt hast, gar nicht mehr gefallen hat? alle lachen

Beate
Nein. Eigentlich nicht

Daniel
Das ist eine interessante Frage. Man findet ja oft interessante Werke und dann recherchiert man und denkt sich: das ist nicht unbedingt eine Person, die man gerne kennen lernen würde, aber ich finde die Arbeit super.

Daniel Wetzelberger, im Hintergrund Kunstwerke von
oben: Heidrun Hobel
unten: 2 Drucke von Patti Smith

Eva
Dein Interesse ist schon ein sehr Spezielles. Beim Kunstverleih gibt es immer auch Leute, die Arbeiten ausleihen und bei Rückgabe gar nicht wissen, wer der Künstler, wer die Künstlerin ist…

Gerhard
Das heißt, du beschäftigst dich sehr genau mit Künstler:innen, die du ausleihst?
Du hast jetzt schon zum zweiten Mal eine Arbeit von Daniel Wetzelberger. Die erste hast du ja auch erworben…

Beate
Ja. Wenn man zum Beispiel auf eure Homepage schaut, sieht man die Namen zu den Werken und dann ist es möglich zu googeln. Beim Daniel war es etwas anderes. Ich war schon vor Jahren einmal bei einem Tag der offenen Tür in seinem Atelier und war ganz begeistert von seinen Arbeiten.

Gerhard
Ich würde gerne noch auf einen anderen Aspekt zu sprechen kommen: Dass dir der Mensch sehr wichtig ist, hängt sicher auch mit deiner Arbeit als Psychologin zusammen.
Ich kenne ja einige Menschen, die haben einen Beruf und die Beschäftigung mit Kunst ist quasi ein Ausgleich bzw. eine Gegenwelt zum Alltag. Ist das bei dir integrativer?

Beate
Das geht Hand in Hand. Wie ich erzählt habe, fotografiere ich ja auch selber. Habe auch schon bei Ausstellungen mitgemacht. Bin hauptberuflich Psychologin, möchte auch von der Kunst, dem Fotografieren, nicht abhängig sein. Zuallererst fotografiere ich für mich. Also ist dieser Kontext da. Ich bin nicht nur kunstaffin sondern mache auch selber welche. Und das hängt direkt mit der Arbeit zusammen. Ich bin Tiefenpsychologin arbeite viel mit Imagination und auch mit kreativen Mitteln. Da schließt sich für mich ein Kreis.

Daniel
Spannend, bei mir ist es gerade umgekehrt. Wenn ich von der Schule (Anm. Daniel Wetzelberger unterrichtet an der Ortweinschule und an der PH Steiermark) nach Hause komme, mit all den Projekten der anderen im Kopf, leide ich an einem totalen „Mental Overload“ und komme zu gar nichts. Da schaffe ich es meist nur in den Ferien eigene Arbeiten umzusetzen. Oft gehe ich unter der Zeit ins Atelier und räume nur ein wenig zusammen. Genau die Arbeit, die jetzt bei dir hängt, habe ich schon vor längerer Zeit mal begonnen, aber nie fertig gestellt. Beim Zusammenräumen habe ich die Kiste mit den Arbeiten gefunden und habe sie dann endlich zu Ende gebracht.

Gerhard
Und was war eigentlich bei dir der erste Berührungspunkt mit der Kunst, Daniel?

Daniel
Bei mir war es der klassische Weg – über den Bildungsweg. Also die Ortweinschule. Aber ursprünglich kommt es von meiner Mutter, die immer schon im Kreativen verankert war. Sie wurde selbst nicht gefördert und wollte bei mir diesen Fehler nicht wiederholen. Und sie hat es schlau gemacht, hat nicht gedrängt und schließlich bin ich in die Ortweinschule geschlittert. Und das war super. Ähnlich wie beim Bauhaus konnte man alle Sparten für ein paar Wochen durchprobieren und dann konnte man sich entscheiden. Das gibt es heute in dieser Form leider nicht mehr. Das führt jetzt dazu, dass einzelne Zweige überrannt werden, zum Beispiel die Grafik und andere, wie die Keramik, auf der Strecke bleiben.

Aber der Weg war jedenfalls ein langsames Hingeführt werden.

Gerhard
Und Lehrer zu werden? War das geplant?

Daniel
Nein überhaupt nicht. Das ist dann passiert. Vorher habe ich noch die Meisterklasse gemacht. Dann ein Jahr Auszeit mit vielen verschiedenen Jobs und anschließend war ich noch auf der Kunstuni Linz, wo mich Kollegen endgültig zur Kunst gebracht haben. Von 2012 bis 2017 war ich freischaffend tätig. Was super gelaufen ist. Aber dann habe ich mich doch für die sichere Seite entschieden und bin Lehrer geworden. Was eh gut passt, aber es ist jetzt eben weniger Zeit für die eigene Kunst.

Das Gespräch findet in der Praxis von Beate Katschnig statt und nach dem biografischen Teil wenden wir uns auch der Gestaltung des Raumes zu. Die Praxis ist hell, freundlich und mit vielen Werken von unterschiedlichen Künstler:innen gestaltet.

links: Mila Mahi

Beate
Seit zwei Jahren bin ich jetzt hier, vorher war ich in einer Gemeinschaftspraxis. Hier kann ich aber endlich gestalten, wie ich will und es kommen interessanterweise jetzt auch die Menschen, die genau zu mir passen, die langfristig an sich arbeiten wollen. Und deswegen möchte ich es freundlich haben.
Es  geht um Fragen des Wohlbefindens, es soll aber auch ein Raum der Inspiration sein. Er soll offen sein, so dass verschiedene Sichtweisen da sind. Und es ist ja nicht nur der Raum, sondern auch der Blick nach außen auf die schönen, alten Bäume – durch sie fällt das Licht nicht so direkt und hart ein, sondern es ist weich und gefiltert.

Gerhard
Du hast in den letzten Jahren viele Werke aus dem Kunstverleih geliehen, letztes Jahr aber das erste Mal eines gekauft. Was hat dich dazu bewogen? Und wie war es davor, die Werke wieder gehen zu lassen? Gab es da auch schon die Lust, sie lieber zu behalten?

Beate
Ja schon. Aber dann habe ich mir oft gedacht. So ist das Leben. Es ist ein Kommen und Gehen. Es ist nicht immer alles zum Horten und zum Festhalten und es kommt auch wieder etwas Neues. Die Arbeit von Daniel (Rorschach, 2014) passt thematisch einfach perfekt hierher. Und das war auch der Grund warum ich sie gekauft habe.

Links: Vasil Tsenev
Rechts oben/unten: Daniel Wetzelberger

LINK – Daniel Wetzlberger – Rorschach, 2014, Tinte, Papier, Stecknadeln, 50*50cm
LINK – Daniel Wetzlberger – Rorschach, 2022, Keramik, 30*30cm

Gerhard
Die Grundidee der Initiative Kunstverleih ist natürlich das Tauschen, das Vermitteln, das Kennenlernen. Wenn Arbeiten „hängenbleiben“ freut das natürlich die Künstler:innen. Das betrifft jedes Jahr ca. 15% der Arbeiten. Der Rest zirkuliert weiter,  beziehungsweise kommen dann jedes Jahr wieder viele neue Arbeiten dazu.

Beate
Das finde ich ja das tolle am Konzept, dass es sehr niederschwellig ist. Die Zirkulation, die Leichtigkeit etwas Neues zu finden, die Lebendigkeit. Ich habe selbst schon Freundinnen mitgebracht, die auch ausgeliehen und später etwas gekauft haben.

Eva
Ich hätte noch eine Frage an euch beide – da es ums Tauschen bzw. ums Verleihen geht: Seit ihr in anderen Bereichen auch noch Leihnehmer:innen oder verleiht ihr gar selber etwas?

Beate
Für mich ist der Kunstverleih derzeit das Einzige, wo es darum geht. Ich habe aber schon im Hinterkopf Künstler:innen zu fragen, ob sie Bilder, vielleicht pro Quartal wechselnd, in meine Praxis hängen wollen. Ich bin da auch schon in Gesprächen.

Daniel
Herleihen? Hauptsächlich Werkzeug in der Schule, was ich dann selten wieder bekomme. Oft geht dann etwas verloren oder jemand verschlampt es. Am Ende des Schuljahres streife ich dann herum und sammle alles, was keinen Namen hat wieder ein. Das ist dann auch eine Art Kreislauf.
Und Künstler:innen können sich selten selber Kunst kaufen. Deswegen habe ich auch schon beim Kunstverleih ausgeliehen oder mit Künstlerkolleg:innen Werke getauscht.

Eva
Vielen Dank euch beiden fürs Gespräch!
Wir hätten aber noch, inspiriert von anderen Interviews, eine Schlussfrage.

Oft wird da gefragt: Worum geht es im Leben?
Wir würden noch eine zweite Frage anhängen und überlassen euch die Entscheidung, worauf ihr antworten mögt: Worum geht es in der Kunst?

Beate
Es geht um den Moment. Im Leben und in der Kunst.

Daniel
Boah…Wie war die Frage nochmal? lacht
Im Leben geht es ums Überleben… und in der Kunst irgendwie auch… lacht

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